Text: Pierre-Antoine Preti

In den Vereinigten Arabischen Emiraten haben die Schweizer ihr Ziel klar verpasst. Mit Rang 7 in Dubai und dem letzten Platz in Abu Dhabi, wo es unnötig viele Strafen hagelte, schafften sie es nicht in die erste Tabellenhälfte. Der Weg an die Weltspitze gestaltet sich für das Schweizer Kollektiv beschwerlicher als erwartet.

«Sébastien Schneiter mangelt es noch ein wenig an Selbstvertrauen, aber er ist ein guter Steuermann», urteilte Russell Coutts am 13. Januar in Abu Dhabi. Der Neuseeländer ist bekannt für seine messerscharfen Analysen. Auch auf die Leistung der Schweizer angesprochen redet er nicht um den heissen Brei herum: «Der erste Sieg ist ein Schlüsselmoment für jeden jungen Sportler, der zweite fast ebenso wichtig. Solange Sebastian keinen Erfolg verbuchen kann, begegnet er Stars wie Tom Slingsby oder Peter Burling mit zu viel Respekt. Er muss daher weiter gründlich an sich arbeiten.» Die Worte des illustren Veranstalters sind durchaus wohlwollend gemeint. Leider lässt der erste Erfolg aber immer noch auf sich warten. Nach dem enttäuschenden Abschneiden auf dem Mittelmeer (siehe letzte Skippers-Ausgabe) musste das Schweizer Team auf dem F50 Eiger auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten unten durch.

GENÜGT ES, ZU DEN BESTEN SCHWEIZER SEGLERN ZU GEHÖREN, UM MIT DER WELTELITE MITZUHALTEN?

Am windschwachen Grand Prix von Abu Dhabi segelten die Teams zu viert im Verdrängermodus mit komplett offenem Segel und Leichtwind-Foils. Leider konnten die Schweizer keinen Profit aus diesen binnenseeähnlichen Verhältnissen schlagen. Zu allem Unglück starteten sie nach einem Zusammenstoss mit den Engländern beim Training mit vier Strafpunkten in das Regattawochenende. Am Samstag fing Team Tilt gleich mehrere Strafen ein. Auf das ganze Wochenende gesehen hagelte es acht an der Zahl! Dafür wurden der Mannschaft in der Gesamtwertung vier Punkte abgezogen, wodurch sie auf den letzten Platz zurückfiel.

Im dritten Rennen änderte Sébastien Schneiter seine Strategie. Bei steifem Wind startete er in der Mitte der Linie, passierte die erste Boje an vierter Stelle und konnte diesen Platz bis ins Ziel verteidigen. Es sollte der beste Lauf des gesamten Wochenendes werden. Mit einem 9. und 10. Platz am Sonntag reichte es den Schweizern nicht ins Finale. Das gewann Peter Burling (NZL) vor den Spaniern und den Amerikanern.

Die Voraussetzungen stimmen

Im Schweizer Paddock profitieren die Seglerinnen und Segler von den besten Voraussetzungen. Sporttrainer Trainer Mickael Vincent bringt Körper und Geist auf Hochtouren: «Wir arbeiten vor allem an den sensorischen und kognitiven Aspekten. Die Crewmitglieder müssen reflexartig, agil und schnell entscheiden, darauf bereiten wir sie vor», verrät er. Coach Tanguy Cariou kann sich das enttäuschende Abschneiden seiner Schützlinge in der ersten Hälfte der zweiten Saison nicht wirklich erklären, momentan sei es schwierig, einen konkreten Grund auszumachen, sagt er. «Sicher ist, dass wir uns schneller steigern müssen. Die Starts sind besser geworden, aber an der restlichen Strecke müssen wir noch arbeiten.» Dass die gesteckten Ziele nicht erreicht wurden, bestätigt auch Projektförderer Alex Schneiter: «Team Tilt ist noch nicht dort, wo wir es zu Beginn der Saison haben wollten, nämlich regelmässig in den Top 5.»

Zwei Koryphäen als Berater

Zwei hochkarätige Berater sollen dem Team helfen, das hochgesteckte Ziel zu erreichen: der Neuseeländer Nathan Outteridge und der Australier Glenn Ashby. Outteridge ist niemand geringerer als der zweite Steuermann des neuseeländischen America’s-Cup-Defenders. Er sieht die Erfolgschancen der Schweizer optimistisch: «Ihr Programm nimmt langsam Form an, die Ergebnisse werden kommen.»

Die lange Warterei ist jedoch beschwerlich. Sie scheint immer schwerer auf den Schultern des Steuermanns Sébastien Schneiter zu lasten. Und der ist nicht irgendwer. Immerhin zählt er zu den besten Foilerseglern der Schweiz und ist auf dem Genfersee mit Foiler-Moth und an- deren olympischen Skiffs grossgeworden. Trotz seines jungen Alters kann der 28-Jährige bereits einen 3. Platz am Youth America’s Cup und einen 13. Platz an den Olympischen Spielen 2016 in Rio vorweisen. Letzten Sommer wurde er zusammen mit Arno de Planta Vizeweltmeister im 49er und löste als erster Schweizer Sportler sein Olympiaticket für Paris.

Beeindruckendes Niveau

Genügt dieser Leistungsausweis, um mit den weltbesten Seglern mitzuhalten? Wie berechtigt diese Frage ist, zeigte sich an der Medienkon- ferenz zur Eröffnung des SailGP in Abu Dhabi am 12. Januar. Die dort anwesenden Skipper brachten jeden Segelfan zum Schwärmen. Vor der prächtigen Kulisse des Louvre von Jean Nouvel präsentierte sich das Who’s Who der aktuellen Topsegler: Tom Slingsby (AUS), Peter Burling (NZL), Phil Robertson (CAN), Taylor Can- field (USA) und Quentin Delapierre (FRA). Ganz zu schweigen vom erfolgsverwöhnten Sir Ben Ainslie, der seinen Platz gerade dem zweifachen Olympiasieger Giles Scott geräumt hat. Praktisch alle haben bereits olympisches Edelmetall gewonnen.

Sébastien Schneiter stuft die sportlichen Ziele seines Teams daher realistisch ein: «Natürlich träumen wir von Siegen, aber wir müssen auf dem Boden bleiben. Dazu sind wir momentan einfach nicht gut genug. Langfristig ist es unser Ziel, sechs junge Schweizer Seglerinnen und Segler in einer der am meistumkämpften Segelklassen der Welt auszubilden. Unser Team soll Bestand haben.»

SÉBASTIEN SCHNEITER: «NATÜRLICH TRÄUMEN WIR VON SIEGEN, ABER WIR MÜSSEN AUF DEM BODEN BLEIBEN.»

Mitgliedertausch zwischen Alinghi Red Bull Racing und Team Tilt

Der Steuermann wird von einem jungen und doch erfahrenen Team unterstützt. Zwölf Etappen bestreiten sie dieses Jahr, fünfzehn im nächsten Jahr. Den Kern bilden die Strateginnen Laurane Mettraux und Maud Jayet, der Flügeltrimmer Will Ryan und die Grinder Julien Rolaz, Jeremy Bachelin und Eliot Merceron. Dazu kommt ein Söldner der besonderen Art. Alinghi Red Bull Racing (ARBR) hat erstmals einem Mitgliedertausch zugestimmt. Nicolas Rolaz wird die zweite Saisonhälfte auf dem F50 segeln.

Bei den anderen, an beiden Regattatouren engagierten Teams hat sich dieses Vorgehen längst etabliert, denn den Seglern des America’s Cups fehlt es angesichts der wenigen Rennen drastisch an Regattapraxis. Das ist aber nicht der einzige Grund für die Attraktivität des SailGPs. Das hohe Preisgeld verfehlt seine Wirkung offensichtlich nicht: Pro Grand Prix werden 400 000 Dollar (davon 200 000 für das Siegerteam) und für den Saisonsieg 2 Millionen Dollar vergeben. Kolossale Summen, die gemäss dem Reglement den Seglerinnen und Seglern zustehen.

Geben wir die Hoffnung nicht auf: Auch wenn ein Sieg der Schweizer derzeit kein Thema ist, müssen wir uns einfach etwas gedulden, bis sich die ersten Erfolge einstellen. Schliesslich kämpft Team Switzerland SailGP mit dem Eiger an einer der hochklassigsten Regattatouren der Welt – einer Art Nordwand des Segelsports.