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Technologietransfer – Regatta-Technologie pusht Energiewende im Schiffsverkehr

von Quentin Mayerat

Die Formel 1 war lange das Labor der Autoindustrie. Ähnlich verhält es sich mit der Regattaszene. Sie hilft den technologischen Innovationen im Seeverkehr auf die Sprünge.

Text: Vincent Gillioz

Für Bernard Schopfer, den Gründer und Veranstalter der Maritime Transport Efficiency Conference (MTE), besteht kein Zweifel: «Die Innovationen aus dem Regattasegeln spielen heute im Seeverkehr eine unverzichtbare Rolle. Viele Technologien, die in der Schifffahrt zum Einsatz kommen, stammen aus dem Segelsport: Die meisten Rennställe haben das Potenzial erkannt und eine spezielle Forschungsund Entwicklungsabteilung eingerichtet, denken wir an BAR, Artemis Technologie und Mer-Concept. Auch Designer wie VPLP versuchen das Ihre beizutragen, um die Effizienz im Schiffsverkehr zu erhöhen, denn die Nachfrage nach Lösungen ist gross.»

ARTEMIS TECHNOLOGIE UND DIE WALLISER FIRMA MOBIFLY TÜFTELN AN ELEKTRISCHEN FOILERN FÜR DEN PASSAGIERTRANSPORT.

Personentransport im Fokus

Dass zwischen dem Regattasport und dem Schiffverkehr viele Synergien bestehen, bestätigt auch Sue Putallaz, CEO des Walliser Unternehmens MobyFly, das Passagier-Shuttles mit Foils entwickelt: «Es gibt tatsächlich Entwicklungen, die für uns interessant sind. Unser Produktmanager Anders Bringdal war fünfmal Windsurf-Weltmeister und unser Technologiemanager hat bei zwei America’s-Cup-Syndikaten gearbeitet. Die Fähigkeiten, die sie dabei entwickelt haben, sind natürlich sehr wertvoll für uns.» Es gebe aber auch noch andere Bereiche, die ebenso wichtig seien, relativiert sie: «Unsere Kunden sind Verkehrsbetriebe und wir müssen ihnen nützliche Lösungen bieten. Dank des gebündelten Know-hows sind wir heute in der Lage, ein Boot anzubieten, das massgeblich zur Dekarbonisierung des Personentransports beiträgt.»

DER F3 VON VPLP BIETET PLATZ FÜR BIS ZU 300 PERSONEN UND VERBRAUCHT 40 PROZENT WENIGER ENERGIE ALS EIN BOOT OHNE FOILS.

Mehrere Spin-offs von Regattateams versuchen, in der lukrativen Passagierschifffahrt Fuss zu fassen. Artemis Technologie unter der Leitung von Iain Percy hat gerade mehrere Millionen Euro staatliche Unterstützung erhalten, um die Entwicklung von elektrobetriebenen Arbeitsbooten voranzutreiben. Letztes Jahr hat das Unternehmen bereits ein Schiff ausgeliefert, das jetzt im Hafen von Belfast im Einsatz steht. Derzeit arbeiten die Ingenieure an der Artemis EF-24, einem Elektrofoiler für den Personentransport, der ähnliche Voraussetzungen erfüllen soll wie das Produkt von MobyFly.

François Gabart von Mer Concept und sein Team sind ebenfalls in diesem Bereich tätig. Ihr Vorzeigeprojekt: Die Fast Foiling Ferry, ein 30 Meter langer Foiler-Katamaran, der 200 Personen befördern kann, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 Knoten erreicht und im Vergleich zu traditionellen Booten ohne Foils bis zu 40 Prozent weniger Treibstoff verbraucht. VPLP selbst beschreibt das Anfang 2020 gemeinsam mit Alwena Shipping entwickelte Projekt als «innovatives Schiffskonzept, das den Weg für die Energiewende in der Schifffahrt ebnen soll.»

DAS TEAM VON MOBIFLY MIT CEO SUE PUTALLAZ BEI DEN ERSTEN TESTFAHRTEN MIT DEM PROTOTYPEN IN LE BOUVERET

Potenzial für den Gütertransport

BAR Technologie, ein Spin-off von Ben Ainslie Racing, geniesst einen besonderen Status. Es hat sich dank seines Branchenwissens als globales Zentrum für Innovationen im Schiffsverkehr etabliert und strebt gleich mit mehreren Grossprojekten mehr Nachhaltigkeit in der Branche an. Die Ende 2020 unterzeichnete Partnerschaft mit dem Giganten Cargil beweist, dass den Worten Taten folgen. Eine erste konkrete Umsetzung sind grosse Flügelsegel, dank denen grosse Frachter ihren Treibstoffkonsum erheblich verringern können. BAR Technologie glaubt, die Treibhausgasemissionen der Handelsschifffahrt dank neuartiger Windantriebstechnologien bis 2059 um die Hälfte reduzieren zu können. Auch hier ist das Fachwissen aus dem Regattasport nicht alles, hilft aber entscheidend weiter. Nur dank des jahrzehntelang angesammelten Erfahrungsschatzes ist die Umsetzung solcher Projekte möglich. In einer Medienmitteilung von BAR Technologie wird CEO John Cooper zitiert: «Wind kostet nichts und neben erheblichen Effizienzsteigerungen bei den Schiffsbetriebskosten bietet sich die Möglichkeit, Emissionen deutlich zu senken.» BAR Technologie arbeitet im Übrigen auch an Foils für Superjachten und an Hybridantrieben für kleine Boote, die für industrielle Zwecke in Häfen eingesetzt werden.

Ideen aus der Schweiz

Auch aus der Schweiz werden einige vielversprechende Ideen konkretisiert, allen voran das aufblasbare Flügelrigg Wisamo, das auf dem von Laurent de Kalbermatten und Edouard Kessi entwickelten Konzept Inflated Wing Sails beruht. Die IWS-Flügel wurden ursprünglich für eine 5.5mR-Jacht entworfen und überzeugten derart, dass Michelin die Erfindun kaufte und jetzt Frachter damit ausstatten möchte. In den kommenden Monaten wird ein erstes Schiff zu Testzwecken von Spanien nach England fahren. Dabei soll vor allem die automatische Steuerung des Flügels optimiert werden.
Das Revolutionäre an dem System sei die Nutzung des scheinbaren Winds, der vom Schiff bei einem Tempo von 15 bis 20 Knoten erzeugt wird, erklärt Edouard Kessi. «Es geht nicht darum, den Treibstoff zu ersetzen, sondern den Verbrauch zu senken. Frachter müssen schnell sein, so will es der Handel. Für unsere Segel ist das genau richtig, denn sie sind bei kleinen Winkeln zum Wind besonders effizient.» Es gebe noch rund 15 weitere ernstzunehmende Windkraftprojekte, verrät der Schweizer Ingenieur. «Wir sind nicht die einzigen Prediger in der Wüste», lacht er und fügt dann hinzu: «Es ist ein gutes Zeichen, wenn mehrere Personen am gleichen Thema forschen.»
Yves Parlier beschäftigte sich lange mit der Erforschung von Kites für den Einsatz auf Frachtschiffen. Seine 2014 gegründete Firma Beyond the Sea bietet bereits Lösungen für kleine Einheiten an. Sie hat mit der von Airbus finanzierten Firma Airseas starke Konkurrenz bekommen. Die Zukunft wird zeigen, wer sich auf diesem zukunftsträchtigen Markt durchsetzen kann.

DIE SEGEL VON WISAMO, EINER FILIALE VON MICHELIN, BERUHEN AUF DEM VON LAURENT DE KALBERMATTEN UND EDOUARD KESSI ENTWICKELTEN KONZEPT. SIE SOLLEN IN DEN KOMMENDEN WOCHEN FÜR TESTS ERSTMALS AUF EINEM FRACHTER ZUM EINSATZ KOMMEN

Offensichtlich steigen immer mehr erfolgreiche Player aus dem Regattasport in den schnell wachsenden Markt ein und tragen mit ihren Erfahrungen und Fachkenntnissen dazu bei, die Handels- und Personenschifffahrt nachhaltiger zu machen. Die Umwelt freut’s.

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