Es ist eine andere Schweiz – aber noch nicht Italien. Dennoch lädt das Ufer des Lago Maggiore bei Ascona zum « Dolce far niente» ein und steht auch in Sachen Gaumenfreuden, Kultur und Sportangebot der benachbarten Halbinsel in nichts nach. Überdies locken ein 18-Loch-Golfplatz und ein bekanntes Jazzfestival.

Text und Fotos: Bernard Pichon

Es ist frühmorgens. Wir beginnen den Tag mit einem Frühstück in einem der zahlreichen Cafés im Zentrum von Ascona: Bei Cappuccino und Brioches werfen wir einen Blick in den Corriere del Ticino.
Sie mal an! Ein Artikel ist all den Berühmtheiten gewidmet, die bereits in der Gegend waren. Was hat Casanova, Kandinsky, Hermann Hesse, Konrad Adenauer und all die anderen an diesem Tessiner Örtchen so fasziniert? Die Antwort haben sie häufig niedergeschrieben: Von Unbeschwertheit, schöner Landschaft, gutem Klima und guter Luft, aber auch von Zauber ist die Rede.
Wir wollen es selbst herausfinden und machen uns auf, die verschachtelte Altstadt von Ascona zu erkunden. Die meisten der engen Gassen sind noch von Gebäuden aus dem Mittelalter oder der Renaissance gesäumt, in denen sich mittlerweile Boutiquen und Kunstgalerien befinden. Unseren Shoppingdrang müssen wir jedoch noch ein wenig zurückhalten, bis die Geschäfte und der Alessio Pizzicannella Wochenmarkt im «Borgo», dem Dorfkern, öffnen, auf dem lokale Produkte und Kunsthandwerk angeboten werden.

Sehenswürdigkeiten

Wir gelangen zu einer Treppe, die auf den Monte Verità führt. Beim Aufstieg geniessen wir die spektakuläre Aussicht. Alternativ hätten wir auch den Bus ab der Haltestelle «Autosilo» nehmen können. Acht Minuten dauert die Fahrt auf diesen Hügel, der für sein historisches und kulturelles Erbe bekannt ist. Er war nicht nur Heimat einer Naturisten-Kolonie in den Goldenen Zwanzigern, sondern zog auch zahlreiche Revolutionäre, Philosophen, Schriftsteller und Maler an.
Was wir nicht wussten: Der Park beherbergt die nördlichste Teeplantage Europas. Bei den regelmässig stattfindenden japanischen Teezeremonien kann man die erlesenen Teesorten probieren und kaufen. Wer noch mehr japanisches Flair sucht, sollte einen Ausflug auf die nahe gelegenen Brissago-Inseln nicht versäumen, die von Ascona aus in nur 15 Minuten mit dem Schiff erreichbar sind.
Auf San Pancrazio, der grössten dieser Inseln, lockt ein abwechslungsreicher botanischer Garten, der zu den «Gardens of Switzerland» zählt. Die verschiedenen Abschnitte des Parks sind wie eine Reise durch die Welt. Der Ferne Osten ist mit Azaleen, Rhododendren, japanischen Hanfpalmen, Kamelien, japanischen Bananen und Ginkgo vertreten. Besonders beeindruckend ist auch der Bambuswald.
Selbstverständlich kann auch der gesamte Lago Maggiore mit dem Schiff erkundet werden, dafür ist jedoch deutlich mehr Zeit erforderlich.

Gaumenfreuden

Nanu! Sind wir in China, Thailand oder Vietnam gelandet? Im Maggia-Delta zwischen Ascona und Locarno stossen wir auf ein 87 Hektaren grosses Reisfeld, das zu einem Landwirtschaftsbetrieb mit insgesamt 130 Hektaren Anbaufläche gehört. Mit den riesigen Feldern der grossen asiatischen Produzenten, die mehrmals jährlich geflutet werden, hat das hier jedoch nichts zu tun. Der sandige Boden wird lediglich alle drei bis vier Tage kräftig bewässert und beschert nur eine Ernte pro Jahr, über die sich die Grotti freuen.
Ein Grotto war ursprünglich – wie der Name nahelegt – eine kleine Felshöhle, die zum Aufbewahren von Lebensmitteln diente. Durch neue Konservierungsmethoden wurde diese ursprüngliche Funktion überflüssig und es entwickelten sich kleine Lokale daraus, die sich daher auch heute noch etwas versteckt in schattiger Umgebung befinden, wo es auch in der Sommerhitze angenehm kühl bleibt. Ihre Ursprünglichkeit haben sich die bei Touristen sehr beliebten Grotti bewahrt und servieren typische regionale Gerichte.
Die Zeiten, in denen sich die Tessiner Küche auf Kastanien, Kartoffeln und Polenta beschränkte, sind jedoch schon lange vorbei. Auch dank der Auswanderer, die aus der Ferne neue kulinarische Gewohnheiten mitbrachten, hat die heimische Küche an Vielfalt und Raffinesse gewonnen und wartet heute mit einer Mischung aus altüberlieferten Rezepten und neuen Variationen traditioneller Spezialitäten auf. Zu den bekanntesten und beliebtesten Gerichten der Tessiner Küche gehören Minestrone, Kürbisspuppe, Kutteln sowie gebratenes, geschmortes oder als Ragout zubereitetes Kaninchen- oder Ziegenfleisch. Selbstverständlich dürfen auch Risotto und Polenta nicht fehlen. Zum süssen Abschluss gibt es Törtchen, Brotkuchen und Amaretti und zu guter Letzt einen Ratafià, auch Nocino genannt. Das Originalrezept dieses Nusslikörs kennen laut Bernard Pichon Volksmund nur gewisse Mönche.