Das Segelboot als Mittel nutzen, Neues zu entdecken und wissenschaftliche Erkenntnisse einem möglichst breiten Publikum bekannt zu machen: Dieser Herausforderung stellen sich Barbara und Thierry Courvoisier seit nunmehr fünfzehn Jahren mit grossem Erfolg.

Text: Vincent Gillioz
Fotos: Barbara & Thierry Courvoisier

Barbara und Thierry Courvoisier sind erfahrene Segler. Obwohl sie in Griechenland bereits von Insel zu Insel geschippert und im Winter in der Karibik den sanften Passat genossen haben, gehört ihr Herz Schottland, Irland, Skandinavien und sogar Spitzbergen und Russland. Starkwind und eisige Gischt schrecken sie nicht ab, ebenso wenig wie die russische Bürokratie. Die haben sie bei der Durchfahrt einer selten befahrenen Meerenge live miterlebt.

Je ausgefallener, desto spannender

Barbara, Laborantin und Geschäftsführerin des Familienweinguts, und Thierry, seit Kurzem pensionierter Astrophysiker und Universitätsprofessor mit einem Lebenslauf so lang wie ein windstiller Tag, lieben schwierige Seeverhältnisse und ungewöhnliche Reviere. Das zeigt ein Blick auf die Karte ihrer in den letzten 15 Jahren unternommenen Reisen. Mit Ausnahme einer schon fast herkömmlichen Atlantiküberquerung in den Jahren 2009 bis 2010 über die Kanaren, Kapverden, Guyana, die Antillen, Kuba und die Azoren waren sie mit ihrer Centurion 40 Ceres (nach dem Zwergplaneten und der Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit benannt) nie südlich des 50. Breitengrads unterwegs. «Anfangs haben wir die Boote gechartert», erzählen Barbara und Thierry. «Wir haben Familienferien auf dem Meer verbracht. Aber als wir 2005 die Ceres gekauft haben, zog es uns erst einmal in den Norden.» 2008 wagten sich die Courvoisiers nach Spitzbergen, das sonst fast nur von Aluoder Stahljachten angelaufen wird. Acht Jahre später, nachdem sie kreuz und quer durch den Nordatlantik und die Ostsee gesegelt waren, beschlossen sie, den Weissmeer-Ostsee-Kanal zu durchqueren. Bisher haben nur wenige ausländische Schiffe die dafür nötige Bewilligung erhalten. «In Russland zu segeln ist ein bürokratischer Spiessrutenlauf. Man kann nicht einfach drauf-lossegeln, sondern muss sich gut vorbereiten. Ausserdem braucht man die richtigen Kontakte.» In ihren Ausführungen über das doch sehr aussergewöhnliche Erlebnis schwingt kein Funke Überheblichkeit mit.
Auf der Rückreise über das Nordkap überwinterte die Ceres und ihre Crew im Rahmen eines Universitätsauftrags in Tromsø, der nördlichsten Stadt der Welt.

Neuer Untersatz

Auch nach diesen spannenden Erfahrungen oder vielleicht gerade deshalb – kann sich das Paar nicht vorstellen, den Ruhestand gemütlich am Kamin zu verbringen. Barbara und Thierry wollen weitersegeln, am liebsten in unkonventionellen Revieren. Für ihre Pläne haben sie vor Kurzem eine Amel 50 gekauft. Gaia soll sie diesen Sommer zu den grossen Inseln im Nordatlantik und nach Grönland bringen. «Unsere Wauquier war uns etwas zu sportlich geworden, vor allem für das geplante Programm. Also haben wir uns nach einem Boot umgeschaut, das besser zu unserem Alter passt und für die hohen Breitengrade ein geschütztes Cockpit hat.» Barbara und Thierry haben ihre Wahl nicht bereut. Sie konnten das Boot bereits bei schwierigen Bedingungen testen und ziehen eine durchwegs positive Bilanz: «Die Amel-Werft bietet für alle Neukäufe einen einwöchigen Einführungskurs mit einer Fachperson an. Wir haben ihn Ende Dezember 2019 besucht und sind anschliessend im Januar und Februar 2020 sechs Wochen der französischen Atlantikküste entlanggefahren. Das Boot hat uns restlos überzeugt. Unsere Befürchtungen, dass die Amel ein schwimmender Wohnwagen sei, haben sich als unbegründet erwiesen. Berret-Racoupeau haben das Amel-typische Design getreu umgesetzt. Das Boot ist sicher, einfach zu handhaben und der Komfort ist bemerkenswert, wie man das von der Marke gewohnt ist. Wir sind im Winter vor der Ile d’Yeu mit 25 Knoten vor dem Wind gesegelt, das hat echt Spass gemacht. Ein geschütztes Cockpit ist viel weniger ermüdend. Dieses Boot ist wie gemacht für unser Pläne.»

Segeln und teilen

Neben seiner Professur an der Universität Genf, wo er unter anderem den Bereich der Hoch- energie-Astrophysik aufgebaut hat, war Thierry Courvoisier Präsident der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz und Präsident der EASAC (European Academies Science Advisory Council). Im Lauf seiner Karriere setzte er sich mit verschiedenen Initiativen für ein besseres wissenschaftliches Verständnis ein. Es war für ihn naheliegend, sein Engagement auf seinen Reisen fortzusetzen. Um seine Aktionen bekannt zu machen, arbeitet er mit Schulen, der Zeitschrift Campus Junior und der Fakultät für Psychologie und Erziehungswissenschaften (FPSE) der Universität Genf zusammen. «Auf Reisen entdeckt man unheimlich viel. Die Idee, wissenschaftliche Kommunikation zu betreiben, ist nach und nach entstanden. Wir haben aber schnell begriffen, dass wir mehr tun können als nur den Himmel zu zeigen.» Die Courvoisiers wollen dafür sorgen, dass Schülerinnen und Schüler ihre Reise miterleben können und bauen dazu interessante Elemente für den Unterricht ein. Zweihundert Klassen in Genf verfolgen Gaias Reise mit. Mit den vom Boot gesammelten Daten wurde sogar eine Maturarbeit verfasst.

Volles Programm

Im Mai 2021 soll Gaia von Schottland, wo sie gerade überwintert, zu den Färöer-Inseln und von dort nach Island segeln. Wenn alles planmässig läuft, sollte sie im Juni in Reykjavik anlegen. Im Juli wollen Barbara und Thierry nach Grönland aufbrechen, wo sie bis Ende August bleiben möchten. Im Fokus stehen dabei Themen wie Vulkane, Meeresböden und tektonische Platten, aber auch keltische Völker, die in dieser Region des Planeten Megalithen hinterlassen haben. Mit der Swiss Cetacean Society ist eine Partnerschaft geplant und es sollen Aerosole gemessen werden, um die Schnittstelle zwischen Ozean und Atmosphäre zu untersuchen. Das Projekt «Science et voile avec Gaia» ist sehr breit gefasst und dürfte daher ein grosses Publikum ansprechen, das weit über die Genfer Schulen hinausgeht.

Was danach kommt, ist noch offen. Barbara und Thierry erwähnen eine Überfahrt zum Pazifik, eventuell sogar nach Patagonien. Festlegen wollen sie sich aber noch nicht. Es lohnt sich garantiert, ihre Reise mitzuverfolgen. Erstens verspricht ihr Vorhaben spannend und unterhaltsam zu werden, zweitens kann man dabei viel lernen.


Site internet du projet Science et voile avec Gaïa: sy-gaia.ch