Der Profi-Segelsport versucht den Frauenanteil mit verschiedenen Massnahmen zu fördern. Aber ziehen auch die Löhne nach?

Text: Grégoire Surdez

Seit die Seefahrer beschlossen haben, Wettrennen zu veranstalten, steht für viele fest: Vom Segeln kann man nicht leben. Man sollte aber nicht alle Regatteure über einen Kamm scheren, denn der Segelsport hat sich in den letzten Jahrzehnten und Jahren stark verändert, denken wir an die olympischen Klassen, den America’s Cup und den SailGP. Es gibt heute durchaus Skipper ohne Geldsorgen, egal, ob sie für einen grossen Rennstall starten oder individuell unterwegs sind. Aber was ist mit den Frauen? Können sie ihren Lebensunterhalt in einem Sport verdienen, in dem sie sich erst langsam als den Männern ebenbürtige Mitglieder durchsetzen?

AM SAILGP MUSS JEDES TEAM MINDESTEN EINE SEGLERIN AN BORD HABEN.

In der Offshore-Szene gibt es kaum noch Lohnunterschiede, «aus dem einfachen Grund, weil wir unsere Projekte oft selbst leiten», sagt Amélie Grassi, die mit ihrer La Boulangère Bio bei den Class 40 mitmischt. «Das ist auch bei mir so. Ich kann selbst bestimmen, wie viel ich mir von dem vorhandenen Geld auszahle. Anders verhält es sich, wenn man im Team segelt. Dann ist man Teil eines Ganzen und kann nicht über seinen Lohn bestimmen. Ich selbst hatte bisher Glück, denn sowohl beim Ocean Race mit Biotherm als auch derzeit im Routing-Team von Actual werde ich bei gleicher Qualifikation wie Männer bezahlt. Ich finde das völlig normal. Bei beiden Teams ist diese Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit.»

IM SWITZERLAND SAILGP TEAM WERDEN FRAUEN UND MÄNNER GLEICH BEZAHLT.

Das Thema Gleichberechtigung liegt Amélie Grassi am Herzen. «Ich spreche oft und gerne darüber, denn es ist noch nicht alles so, wie es sein sollte. Aber es gibt Vereinbarungen und Standards für Mindestvergütungen, an die sich immer mehr Teams halten. Für junge Menschen ist die Situation komplizierter. Aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung werden ihnen allzu oft Bedingungen angeboten, die schlicht nicht akzeptabel sind.» Vermutlich sollten sie sogar noch dankbar sein, dass sie überhaupt an Bord sein dürfen.

LAUT AMÉLIE GRASSI LAUFEN JUNGE SEGLERINNEN UND SEGLER STÄRKER GEFAHR, UNFAIR ENTLÖHNT ZU WERDEN.

SailGP geht mit gutem Beispiel voran

Es gibt jedoch professionelle Regattatouren, die anders denken und handeln. Vorzeigebeispiel ist der SailGP, der ein originelles und gerechtes Vergütungssystem anwendet. Bei Switzerland SailGP werden die Frauen auf genau der gleichen Basis bezahlt wie die Männer, geschlechterspezifische Unterschiede gibt es keine. «Wir versuchen alle gleich zu behandeln», sagt Tanguy Cariou, Teammanager einer Crew, bei der die Seglerinnen an Bord ebenso wichtig sind wie ihre Kollegen.

«Die Frauen sind vollwertige Teammitglieder. Ich spreche nicht gerne von Frauenquote, allein schon der Begriff ist diskriminierend. Vermutlich kommen wir aber nicht darum herum, wenn wir den Anteil der Seglerinnen nachhaltig erhöhen wollen. Wenn erst einmal zwei oder drei Frauen im Team sind, ohne, dass es sich um eine Auflage handelt, dann haben wir unser Ziel erreicht. Zum Segeln braucht es nicht nur Muskelkraft, weshalb viele Schlüsselpositionen mit Frauen besetzt werden könnten.»

Auf der Regattatour von Russell Coutts und Larry Ellington ist immer mindestens eine Frau an Bord. Wenn das Syndikat an einem Grand Prix aufs Podest fährt, hat also auch sie Anspruch auf die grosszügige Prämie. SailGP schüttet in einer einzigen Saison Preisgelder in Höhe von 7 Millionen US-Dollar aus. Das Saisonfinale ist mit 2 Millionen Dollar dotiert, die gemäss dem Sprichwort «the winner takes it all» allein dem Sieger zustehen. «Dieses Prämiensystem belohnt die drei Besten und ist daher besonders interessant», befindet Tanguy Cariou. «An jedem GP winken den Finalteilnehmern 400 000 Dollar. Der Erste erhält 200 000, der Zweite 120 000 und der Dritte 80 000 Dollar, die dann im Team aufgeteilt werden, wobei ein Grossteil an die Seglerinnen und Segler geht. Wir müssen SailGP eine Liste aller Personen vorlegen, die einen Teil dieses Preisgeldes bekommen. Damit wird kontrolliert, dass wirklich diejenigen davon profitieren, die am häufigsten auf dem Wasser waren.»

Heisst das, Lohndiskriminierung ist am SailGP gar nicht erst möglich? Tanguy Cariou nickt: «Genauso ist es. Aber wie gesagt, das Thema betrifft uns nicht, denn wir sind schon ein grosses Stück weiter.» Die Teams sind auf die Besten angewiesen, wenn sie ganz vorne mitmischen wollen, und die haben ihre Preis. «Am SailGP können Frauen sogar etwas mehr verdienen als manche Männer.» Auch im Segelsport gilt: Je rarer, desto teurer.

TEAMWORK BIETET JUSTINE METTRAUX SEIT ÜBER ZEHN JAHREN BESTE LOHN- UND SOZIALLEISTUNGEN.

TeamWork, ein fairer Partner

Talent hat seinen Preis und der ist nicht geschlechterabhängig. Justine Mettraux, die seit zehn Jahren von TeamWork unterstützt wird, erhält einen regulären Lohn: «Wir geben keine Zahlen bekannt, versichern Ihnen aber, dass Justine gleich viel verdient wie die männlichen Skipper in vergleichbaren Projekten. Es gehört zur DNA des Unternehmens, Frauen und Männern gleiche Löhne zu zahlen. Justine erhält zusätzlich zu ihrem Gehalt die gleichen Leistungen wie alle TeamWork-Mitarbeitenden: einen 13. Monatslohn, die 2. Säule und Versicherungen», versichert Philippe Rey-Gorrez, der CEO der Genfer Firma, die zahlreiche Athletinnen und Athleten aus dem Segelund Bergsport unterstützt.

ALINGHI RED BULL RACING HAT EIN TEAM FÜR DEN WOMEN’S AMERICA’S CUP REKRUTIERT. DIE SEGLERINNEN KANNTEN DIE BEDINGUNGEN IM VORAUS.

Zankapfel Lohn am Women’s America’s Cup

Dank der Unterstützung durch TeamWork kann sich die Genferin voll auf ihr grosses Ziel, die Vendée Globe, konzentrieren. Dieser Luxus ist ihrer Schwester Élodie nicht vergönnt. Die älteste der Mettraux-Geschwister, die von Alinghi Red Bull Racing für den ersten Women’s America’s Cup ausgewählt wurde, hat auf ihren Traum verzichtet. «Ich kannte die finanziellen Bedingungen von Anfang an», räumt sie ein, «habe den Selektionsprozess aber bis zum Schluss absolviert, weil ich gehofft hatte, von innen heraus etwas bewegen zu können. Das ist mir leider nicht gelungen, weshalb ich mich zurückgezogen habe. Für mich war es schlicht nicht möglich, ohne anständigen Lohn mehrere Monate in die Vorbereitung und den Wettkampf zu investieren.»

Manchmal braucht es einen Blick von aussen, um eine aufgeheizte Debatte zu entschärfen. Amélie Grassi glaubt zu wissen, wo der Hund begraben liegt: «Der Women’s America’s Cup wird zu sehr mit dem Youth America’s Cup gleichgesetzt», ist sie überzeugt. «So sehr ich verstehen kann, dass junge Leute diese unglaubliche Gelegenheit nutzen, um ihre Karriere ins Rollen zu bringen, und daher der Bezahlung wenig Beachtung schenken, so sehr finde ich, dass erfahrene Seglerinnen nicht wie junge Leute behandelt werden sollten.» Seglerinnen und Segler sind eben doch noch nicht überall gleich!