© Oceaneye / Dimitri Montanini

Die Ökosysteme unserer Meere werden durch den Klimawandel und die Überfischung schon arg überstrapaziert. Seit einigen Jahrzehnten sind sie einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt, die sich rasant ausbreitet und trotz der verheerenden Folgen unterschätzt wird. Beunruhigt über die zunehmende Wasserverschmutzung durch Plastikabfälle schlagen die Wissenschaftler jetzt aber Alarm. Es ist ihnen ein Anliegen, ein Mittel gegen die sich ausbreitenden Müllteppiche zu finden und das Problem, das durch die übermässige Verwendung von nicht abbaubaren Materialien, das weltweite Bevölkerungswachstum, das stümperhafte Abfallmanagement und die Zunahme des Seeverkehrs und der Fischerei versursacht wird, an der Wurzel anzupacken.

Die riesigen Plastikmengen in unseren Meeren sind aus drei Gründen beunruhigend: Erstens sind sie überall. Wo wir auch suchen, werden wir fündig, und das nicht zu knapp. Zweitens ist die Verschmutzung nicht rückgängig zu machen, denn Kunststoff zersetzt sich nicht, sondern zerbricht in kleine Stücke. Die Reinigung der Meere wäre völlig utopisch. Angesichts der unglaublichen Masse, ihrer geografischen Verteilung und der kleinen Teile gibt es dafür heute keine realistische Lösung. Drittens nehmen die vielen, teilweise noch unbekannten Auswirkungen sowohl für das Gleichgewicht der marinen Ökosysteme als auch für die Gesundheit der Menschen ein beunruhigendes Ausmass an. Das Abfallproblem ist zur ökologischen Zeitbombe geworden. Studien zufolge schwimmen mittlerweile 100 Millionen Tonnen Plastikmüll in unseren Ozeanen und jedes Jahr kommen weitere 6 Millionen dazu.

Mehr Plastik als Plankton!

80 Prozent des in den Meeren treibenden Mülls stammen vom Festland, 20 Prozent von der Fischerei und vom Seeverkehr. Der an Land erzeugte Abfall wird nicht richtig entsorgt und vom Regen in die Flüsse gespült, über die er dann in die Meere gelangt. Dort wird er von der Strömung verteilt und sammelt sich zu gigantischen Wirbeln, auch „Waste patches“ oder „Trash vortexes“ genannt. Im Nordpazifik ist der grösste Plastikstrudel sechsmal grösser als die Planktonmenge! Man stelle sich das mal vor: sechsmal mehr Abfälle als lebendes Material! Gefahr geht aber nicht nur von der kaum vorstellbaren Menge, sondern auch von der winzigen Grösse der Partikel aus, in die Plastik zerfällt. Sie sind nicht grösser als Plankton.

Das tödliche Treibgut stellt für Flora und Fauna eine akute Gefahr dar. Tiere verheddern sich darin oder ersticken daran. Ausserdem sammelt sich das Plastik in den Mägen der Vögel und Fische, die kläglich verhungern. Es reduziert den Sauerstoffgehalt des Wassers und vergiftet die Tiere durch Bioakkumulation. Dieser letzte Punkt ist für die Gesundheit besonders beunruhigend. Bei der Verdauung von Plastik werden bestimmte Zusatzstoffe wie z.B. Phtalate freigesetzt. Die Moleküle stören den Hormonhaushalt und wirken sich auf den Stoffwechsel aus. Der Mensch als letztes Glied in der Nahrungskette bleibt davon nicht verschont.

Darüber hinaus trägt Plastik zur Verbreitung invasiver Arten bei. Mikroorganismen setzen sich am Müll fest und gelangen so in neue Ökosysteme, wo sie sich oft auf Kosten einheimischer Arten ausbreiten. Nicht zuletzt stellen grosse Abfälle eine Gefahr für die Schifffahrt und die Fischerei dar. Blockierte Propeller, verstopfte Kühlsysteme, zerrissene Netze oder schlimmer noch, Zusammenstösse mit so genannten unbekannten Schwimmobjekten, gehören heute zum Alltag.

Finanzielle Bürde

Abgesehen von den Umweltaspekten verursacht Plastikmüll auch immense Kosten, die im Lauf der Jahre immer mehr wachsen. Die von den Vereinten Nationen genannten Zahlen zu den direkten Auswirkungen sind beunruhigend. Der schottischen Fischerei zum Beispiel entsteht durch den Plastikabfall ein Aufwand von rund 16 Millionen USD pro Jahr; das sind 5 Prozent des gesamten Einkommens. Die Kosten für die Reinigung der britischen Strände wurden sogar auf 23 Millionen USD pro Jahr geschätzt.

Jedes Jahr werden weltweit 9 Prozent mehr Plastik verbraucht als im Vorjahr. Der Verbrauch verdoppelt sich demnach alle elf Jahre. Mit anderen Worten: Der Abfallberg in den Meeren wird nicht nur immer grösser, sondern die Zunahme erfolgt auch immer schneller. Aus diesen Gründen hat das UNO-Umweltprogramm UNEP den Plastikmüll in den Meeren im Jahr 2011 zu einer der drei dringlichsten Umweltfragen erklärt.